Chronos // Dazwischen

Gedichte von Monika Raffelsberger

Chronos

Es ist Zeit für die Zeit, sich zu maskieren, wenn du schläfst: gelten andere Regeln,

Chronos schlüpft in neues Gewand; begegnet dir, als Silhouette in deinen Träumen:

Schattengetier, das du fütterst, es dehnt sich aus wie die Zeit, die als Sand durch dich

hindurch rinnt; du bist Stundenglas, der Takt variiert mit den Träumen, du bist gefangen, im

Verdikt: Anarchie, die in deinem Kopf herrscht.

Heute ist Chronos mein Schildkrötenkörper, den ich bewohne, mein Kopf reckt sich, mein

Krötenblick stiert; mein Körper wirft Schatten, ich möchte vor ihnen fliehen: werde Jäger, bin

Gejagte in der Treibjagd - getrieben,

von den Schatten meines Selbst;


Wohin flieht meine Zeit und wo

                               ist sie

gewesen;                ich war        Einzeller

dann                                           viele,

nun                         bin ich

                                                   Fremde

                                                   in mir;

Es ist Zeit für die Zeit, sich zu maskieren, wenn du schläfst: bist du ein Kaleidoskop,

das Selbstgespräche führt.

Wo flieht die Zeit hin?

Sie entwischt in meinen Träumen, in denen

Chronos an ihr zieht, wie der Mond am Meer;

und ich träume in Wellen, mein Gehirn

wirft Gezeiten, mein Mond steht spitzwinklig

zur Sonne und meine Zehen

tief im Sand, über mir

tobt die Sintflut.


Dazwischen

Dein Blick in den Spiegel,

dein Blick: durch ihn


verzogene Winkel;

verzerrt: der Mund

deine Augäpfel: abglanzlos;


Dein Blick ins Leere, wo

Augen auf dich starren, 

als ungreifbares Echo, das

kein Rahmen hält;


ES IST: Ein Riss zwischen mir und der Welt, liegt

                                                ein Dazwischen;

ich kann es langsam mit meinen Zehen nachziehen.

Es wird mir Ebenbild, in das ich blicke,

ich werde Brücke

über der Kluft, die

mich von mir

trennt.


DU FÄLLST: kein Wohlgefallen,

wem gefällst du, fragt dein Mund;

DU BIST: deine Finger, die deine Krater nachziehen.

Und dein Brüllen und dein Fallen: kein Gefallen,

du bist: der Abgrund, der Graben, in den du fällst,

du zerfällst;


Du musst immer nur

noch, sagst du, ein bisschen länger

warten, sagst du, bis es sich ändert,

das Gefühl, ES IST: ein altes Gesetz.

Doch ich: stecke fest im Spalt, bin Platzhalter

im Dazwischen

und mir ist alles ein Gefühl, was eine Zumutung ist.