Schreiben ist, wie das Denken auch, abhängig von den Räumen, in denen es geschieht. Es wird von ihnen geformt, gerahmt, und manchmal lässt es sich nicht genau verorten.


 

Schreiben zwischen Formen und Grenzen

Am Anfang unserer Überlegungen war da der Eindruck von einem fehlenden Raum. Es gibt fest abgesteckte Räume für Journalismus, für den Verlag von Poesie und Prosa, und für das akademische paper – begrenzte Flächen, sowohl thematisch als auch formal, die reserviert sind für formvollendete und angepasste Publikationen. Allerdings möchten sich viele Texte eben nicht so starr kategorisieren lassen und fallen, spätestens auf der Suche nach einer Veröffentlichung, aus dem Rahmen. Ein Interview mit essayistischer Einleitung, ein Essay, der zur autofiktionalen Erzählung wird, ein wissenschaftlicher Text mit literarischen Zügen, eine kommentierte Fotocollage – solche formalen und medialen Mischformen finden selten bis gar keinen öffentlichen Ort, schlicht weil sie nicht stringent genug die bekannten Formen des Schreibens reproduzieren. Solchen Texten wollen wir eine Plattform geben und ihre Hybridität feiern, statt sie heraus zu glätten. Wir wollen so einen Zwischenraum zur Verfügung stellen und gleichzeitig mit den Schreibenden seine Möglichkeiten erkunden. Denn zwischen Formen und Grenzen zu schreiben bedeutet auch, das prozessuale Moment des Schreibens wahrzunehmen und sichtbarzumachen – ein Schreiben, das zwischen den verschiedenen Möglichkeiten seiner Ausgestaltung oszilliert und gerade in dieser Bewegung seine Form findet. 

Schreiben im Dialog

Was entsteht, wenn Texte nirgends ihren Platz finden, ist erst einmal Verunsicherung. Und doch ist es gerade diese Nicht-Verortbarkeit, die dem Gefühl ähnelt, das nicht selten das Schreiben selbst begleitet, wenn man noch nicht weiß, was am Ende von Umordnungen, Durchstreichungen und Schreibkrisen übrig bleiben wird. Das Geschriebene lebt in seiner Herstellung gerade von Veränderungen und Abwandlungen, von Fehlern und Ungenauigkeiten, und die Ideen hinter den fertigen Texten gehen auf eine lange Reise, durch viele Hände und Köpfe, bevor sie zu Papier gebracht werden. Emails werden ausgetauscht, über Kaffee hinweg diskutiert, Gedanken und Impulse hin- und hergeworfen und „fertig“ ist ein Text zumeist am Abgabetermin nur, weil er fertig sein muss. Deshalb wollen wir die Gespräche, Orte, Hintergrundgeräusche, Abwandlungen und Fehler, die das Schreiben bedingen und begleiten, mit in das Geschriebene einfließen lassen. Um die verschiedenen Versionen und Entwürfe mitzubedenken, die einen finalen Text entstehen lassen. So wollen wir uns gegenseitig am Schreiben teilhaben lassen und durch unsere Schreibprojekte gemeinsam Textsammlungen wachsen lassen. Denn so wie das Schreiben von den Orten geformt wird, an denen wir schreiben, wird es auch von den Begegnungen und Dialogen über das Schreiben getragen und ist so immer schon ein kollaboratives Schreiben, das an Orte und Gedanken Anderer anknüpft.  

Texte über das Schreiben

Einen Verlauf sichtbar zu machen heißt nicht, dass man sich darin verlaufen muss. Vielmehr wollen wir dem beweglichen Moment des Schreibens einen Platz einräumen, um die Unverrückbarkeit, die dem Geschriebenen manchmal anhaftet, in einer gemeinsamen Praxis in Frage zu stellen. Überhörte Gesprächsfetzen, unerhörte Begebenheiten, nachhallende Diskussionen, visuelle Eindrücke von Vorbeigehenden, alltägliche Lebenssituationen und vor allem eigene Reaktionen auf andere Texte sind das, was zum Schreiben inspiriert und den Außenraum in das Schreiben hineinträgt. Mit unserem Magazin sind wir also gewissermaßen auf der Suche, nach Ausblicken danach, wie der fehlende Raum für solche ‘Zwischentexte’ aussehen könnte und welche Wege diese Texte in ihrem Schreibprozess gehen. Denn der etablierte und stark hierarchisierte Weg bis zur Publikation findet zumeist versteckt hinter den Kulissen statt. Es geht uns also um neue Rahmungen des Schreibens und damit auch um ein Neudenken von Kollegialität unter Schreibenden. Indem unser Magazin mit seinen Texten wachsen soll, statt diese künstlich passend zu machen, wollen wir neben einer Plattform für hybride Texte deshalb auch vor allem Schreibenden ohne großes Portfolio eine Veröffentlichungsplattform ermöglichen und gemeinsam fragen, wie Schreibräume fern von etablierten Formaten und Formgrenzen gestaltbar wären.