dekompostiert euch. prozess eins 

von maë schwinghammer


aufschreiben was da ist was ist denn nun da ein herbstblatt dem kommenden winter geneigt eine fiktion und keine fiktion ein verbot der erwähnung von verboten auf unsicherem boden stehend wissen wir um den permafrost und der boden trägt nicht mehr alle aprikosenbäume leben in gefangenschaft und die deutsche eiche ist gestresst zurecht ich schreibe um nicht demonstrieren zu müssen weil winter kalt sind und demonstrationen nie zuhause stattfinden konnten mittlerweile schon deshalb schreiben wir wir das sind kollektiv manifestierte und kollektivierte manifeste wir wissen um die wörter die in manifesten vorkommen müssen müssen nur das/der/die einzige all alle aller alles gegen gegen all gegen alle ein manifest ist wie am nordpol sitzen und den südpol fordern weil es dort wärmer sein soll und es noch frische patriarchen gibt keine tiefkühlware mehr

IM WORT NORDPOL STECKT DAS WORT NO ABER NICHT DAS  WORT KONSENS 

FRESSEN UND NICHT MEHR GEFRESSEN WERDEN 

*Anthropophagie 


Beschreibung 

Aus dem Englischen übersetzt Menschlicher Kannibalismus ist die Handlung oder Praxis von Menschen, die das Fleisch oder die inneren Organe anderer Menschen essen. Eine Person, die Kannibalismus praktiziert, wird Kannibale genannt.  

Ursprüngliche Beschreibung aufrufen

Andere suchten auch nach: Typhus, Genozid, Folter, Durchfall, MEHR

die haut als abgrenzung von INNEN und AUSSEN 

ist weder fleisch noch fisch noch inneres organ 

ich lass dich an meiner haut knabbern 

wenn du mich an deiner knabbern lässt 

das recht christus die kappe des nordpols gallimathias die geschichte die landkarte der gummibaum die nationalhymne die lüge die rettungsringe  seitenzwiebel und kultursubstrat die wiederholte lüge goethe die krone die routen die reiseführer mit ihren routen der bischof von sardinha das meer das ganze meer und alle manifeste

redining statt rewriting 

dürfen menschen kolonialismus essen und wenn ja wie zubereiten? 

ja zerlassen in veganer butter 

wie verhindern wir die planetennahme subalterner systeme? mit hyperraumblockaden 

wenn ein manifest alles versprechen darf aber nichts einlösen muss was unterscheidet es dann von einem rubellos?

wenig einmal mit ohne gewehr 

time to do your part in saving the planet, no source detected, save up to 70% of your lamp power, wir veräußern uns selbst in virtuelle realitäten sobald wir einmal in virtuelle realität veräußert wurden gibt es uns nicht länger in realen realitäten wir  sind uns einigermaßen uns was schon viel ist immerhin sind wir dazu 

verpflichtet die verwaltung unserer romantisch-irdenen konkursmasse nicht zu vernachlässigen 

das haben wir nicht getan 

denn selbst als alle fische im becken das knabbern verweigerten

wurden die arbeitsbedingungen nicht verbessert 

es wurde ein durch chemikalien verunreinigtes wasser vermutet

nagellack ist giftig 

das wasser wurde ausgetauscht  

und alle fische mit dazu 

die pediküre musste weitergehen 

nach der pediküre sahen wir uns im hotelzimmer auf der kleinseite

findet nemo im paytv an 

ich schlief ein 

bevor sie nemo fanden

es ist eine vorbereitung darauf 

wenn alle städte geschwemmt sind 

es hat in venedig begonnen und ich war dabei 

es war der letzte tag bevor venedig unterging 

und die straßenverkäufer*innen verkauften keine gummistiefel mehr keine  regenschirme mehr keine regencapes mehr sie verkauften plastikkapseln in  denen man wertgegenstände aufbewahren konnte die leute fingen an nachrichten zu schreiben auf papier gaben manches mal noch einen persönlichen gegenstand hinzu eine kette den reisepass ein in der geldtasche aufbewahrtes foto dann gaben sie die nachricht hinzu und schlossen die kapsel warfen diese daraufhin in die schwemmung

WIR SCHWIMMEN AUF LUFTMATRATZEN NACH VENEDIG

und wir bestellen kleine 

biere und geben unseren 

kleinkindern knallblaue 

bildschirme mit knallroten 

kopfhörern in die hände 

auf denen findet nemo 

läuft und sie tauchen ein 

und wir ins gespräch 

warum wir schon so lang 

keinen sex mehr hatten 

und während wir am kleinen bier nippen das immer noch teuer als ein sechserträger 

aus dem supermarkt ist 

wissen wir warum und 

niemensch nennt diese stadt zuhause und sie weiß es 

wer kann es ihr versehen 

das ende herbeizusehnen 

noch nicht einmal zum 

essen wird die suche  

abgebrochen es ist ein 

fortwährendes unterfangen 

wir verbrachten die wochenenden immer bei meinem vater an einem der beiden tage besuchen wir meine tante und meinen onkel die ganz in der nähe wohnte wir stießen unsere köpfe zu oft an der lampe 

die viel zu tief montiert  

über dem esstisch hing ich 

löste das kreuzworträtsel  

der kronen zeitung was keine herausforderung darstellt wenn man dies seit vielen jahren tut

da sich die fragen wiederholen dann sah ich skirennen im winter oder formel 1 rennen im sommer manches mal auch sissi oder winnetou auf orf zwei viel  

zeit verbrachte ich auch 

mit dem fernsehprogramm 

der folgenden woche ich 

kuratierte meinen konsum 

und filterte angebote 

die es sonst selten  

zu sehen gab heraus 

besonders aufwendig wurde 

es zu weihnachten oder ostern wenn alle sender zahlreichste spielfilme aufkauften und mehrmals zu verschiedenen zeiten wiederholten wenn der wein am nächsten tag richtig sauer ist und du 

darauf hoffst dass das nur 

so ist weil er schon länger  

offen ist was wäre die alternative und ich habe einen 

grund mehr die form aufzugeben alle tabakläden waren geflutet es war ein guter tag um 

mit dem rauchen aufzuhören auf reisen blicke ich leute 

die in einer anderen sprache über mich reden gerne so an als würde ich jedes einzelne 

ihrer worte verstehen und alles bisher gesagte ebenso 

und ich sehe mich in andere zeiten geworfen will mich

dann gefunden wissen ich 

werde nie verstehen was es 

bedeutet sag mir etwas 

männliches ohne dabei lächerlich 

zu wirken siehst du ich wüsste  

gar nicht was ich sagen sollte 

bist du männlich und wie 

äußert sich das außer durch 

und wenn es nur 

dort ist warum denken wir 

deinen penis dann ständig 

und überall mit 

Illustration von Kathrin Bach

konstruktionen die sich in manifesten manifestieren etwas das ist 

ist ganz anders 

ist gar nicht 

ist viel größer:kleiner 

ich liebe:hasse manifeste (dich) 

ein manifest verb 

ein manifest verben 

ein manifest erwerben 

keine*r kann 

keine*r soll 

keine*r muss 

alle müssen 

alle sollen 

alle können 

was dabei nie vergessen sein will ist das wollen was wir wollen 

wobei dieses wir aus 

den verfasser*innen 

den unterstützer*innen

der gesamtheit aller und nur aller 

bestehen kann 

wir wissen dabei oft selbst nicht wer wir sind 

was auch sichtbar besser: fühlbar werden muss die bewegung 

die dynamik 

ein schreiten 

ein gelangen 

wohin 

silben die dem gelingen unabdinglich sind

-pozän 

-chat 

-archie 

-tie

-omie 

-agie 

-ismus 

-ismen 

Illustration von Kathrin Bach

erlaubte aggregatzustände eines manifests festförmig 

am besten eine liste 

am besten eine auflistung 

am besten eine durchnumerierte auflistung 

es muss handlich sein 

es muss sich vervielfältigen lassen 

es muss einen sinn in seiner vervielfältigung sehen es muss in die handtasche passen 

es muss handgreiflich werden 

was will gefressen sein:

die rückseite des diskurses habe ich gesucht 

gefunden und schließlich besucht 

ich weiß um eine bessere welt nun 

aerob sprach mir zu 

es fühlte sich gut an 

vielleicht fühlt sich so eine vorstufe zum sterben an 

leichte euphorie und ein beschwingter brustkorb 

gleichzeitig eine leere und unruhe im torso

HIER FEHLT DIE VERBINDUNG

ich bin die unsichere erzähler*in vor der euch eure professor*innen immer gewarnt haben es hilft nichts schwärzer als mohn wird es im waldviertel nicht wir stehen dem technopozän gegenüber alle entitäten veräußert und unveräußert innerlich und äußerlich eingeschrieben oder ausgeschrieben wir setzen uns in verbindung nokia gibt es nicht mehr als marke but still connecting people 

and fishes 

and vegans 

and apricot trees 

and anthropophagists 

and narrators across galaxies 

and leaves 

and corals 

and poles 

meine nasenschleimhaut blutet  

nicht mehr 

sie gefriert 

ich werde mich nicht länger  

damit zufrieden geben 

dass auf montag dienstage folgen

morgen ist mittwoch 

können wir uns darauf einigen

 

ich möchte ein eisbärtierchen sein  

meine nasenschleimhaut friert 

nicht mehr 

sie blutet 

ich werde mich  

damit zufrieden geben 

dass auf montag nicht länger 

dienstage folgen 

morgen ist mittwoch 

können wir uns darauf einigen

das material  

ist eingebracht 

aufgeschichtet 

die kerntemperatur 

steigt an 

es hat 20 grad 

und wären wir  

am nordpol 

wäre uns heiß 

können wir uns darauf einigen? 


Maë Schwinghammer (hen/they) [Text], geboren 1993, studiert und lebt Sprachkunst in Wien. 2021 Dramatikstipendium der Stadt Wien. 2022 Burgschreiber*in zu Beeskow und Startstipendium für Literatur. 2022 erschien das Lyrikdebüt Covids Metamorphosen im Klever Verlag.

Kathrin Bach [Illustration], 1988 in Wiesbaden geboren und in einem sehr kleinen hessischen Dorf aufgewachsen. Studierte Literarisches Schreiben in Hildesheim und ist ausgebildete Buchhändlerin. 2017 erschien ihr Lyrikdebüt Schwämme in der Parasitenpresse [Köln]. Während des ersten Lockdowns organisierte sie zusammen mit Donat Blum & Melanie Katz Viral – Das Online-Literaturfestival in Zeiten der Quarantäne – und fing nachts an zu collagieren (#kathcut_collagen). Inzwischen lebt sie als freie Autorin in Berlin und arbeitet an ihrem ersten (collagierten!) Roman und einem zweiten Lyrikband.