Jägerzaun // Was mit Wörtern
von Lucie Kolb

Jägerzaun

Es gibt Wörter, die lösen Unbehagen aus. Sülze, kriechen, Jägerzaun, zum Beispiel. Ich kann dieses Unbehagen an unterschiedlichen Stellen im Körper spüren. Bei Sülze sitzt es im Hals, kann sich nicht entscheiden ob rauf oder runter. Kriechen greift von hinten an, am Rücken, schnell muss ich mich umdrehen und gleichzeitig die Beine hochziehen. Jägerzaun tut in den Augen weh, der Kiefer verkrampft sich.

Literaturszene ist noch so ein Wort. Da möchte ich mir eine Kapuze über den Kopf ziehen und gehen. Oder noch besser, mit Bierdosen werfen. Und trotzdem ist es ja so, dass ich, als schreibender Mensch, immer wieder Berührungspunkte habe, diese auch haben möchte, denn Austausch mit anderen Schreibenden ist wichtig und macht manchmal auch Spaß.

Das Wort Spaß passt zur Literaturszene so gar nicht, dann schon eher das Wort Jägerzaun, so ist das nämlich, ein Jägerzaun, an dem man sich die Knie stoßen kann. Zum Jägerzaun passen die Dauercamper, und das Bild stimmt doch ganz gut. Dauercamper wissen ganz genau, wie es läuft, wo der Boden im Herbst matschig wird, wen du fragen musst, wenn du dir eine Wasserwaage ausleihen willst, und wie du den bellenden Schäferhund vorne am Eingang beruhigst.

Bei der Punkerszene war es einfacher. Anarchie, ey die Hunde, schnorren, Plastiktüte voller Dosenbier teilen.

Hier, nimm, ich reiche dir eine Dose über den Zaun. Und prost.

Literaturszene // Jägerzaun

Literaturzaun // Jägerszene

Szenenzaun // Literaturjäger

Zaunszene // Jägerliteratur

Szenenjäger // Zaunliteratur

Zaunjäger // Szenenliteratur

Literaturszene // Jägerzaun


Was mit Wörtern

Ich arbeite in Teilzeit als Sozialarbeiterin und mache 24/7 was mit Wörtern. Meist (Mist) unbezahlt.

In der Praxis sieht das so aus: Wenn ich ab mittags arbeite, stehe ich früh auf, erledige meine Routinen – Kaffee, aus dem Fenster schauen, Yoga – setze mich ein bisschen an den PC. Nebenbei fährt das Schreibprogramm im Kopf hoch. (Kopf hoch, es wird schon wieder.)

Dann gehe ich spazieren, und währenddessen denke ich mich immer weiter rein in den Tunnel, an den Ort, an dem nur ich und die Wörter sind, bis wir verschwimmen. Mein ganzer Körper füllt sich mit Wörtern, besonders der Kopf, ich schmecke sie aber auch im Mund, wie Murmeln klackern sie aneinander, leicht metallisch. Dann kribbeln sie in den Fingerspitzen, sammeln sich, um zu Hause aufs Papier zu strömen/purzeln/poltern/stolpern.

Ich bin dann wie in einer Wolke, eine Barriere ist zwischen mir und der Welt, alles nehme ich gedämpft und gleichzeitig superscharf wahr. Keine Ahnung, wie dieser Filter heißt.

Aber nach und nach schiebt sich die Uhr von hinten im Kopf in mein Blickfeld, und die Zeit, gerade noch zärtlich tröpfelnd, tickt nun ohne Erbarmen. Vor mir steht eine schwere Aufgabe: Zurück in die sogenannte Realität.

Auf dem Weg zur Arbeit muss ich aufpassen, nicht überfahren zu werden.

An manchen Tagen muss ich schon morgens in die Arbeit. Wenn ich dann nach Hause komme, ist wieder alles voller Wörter, aber diesmal sind es nicht meine Wörter. Es sind Arbeitswörter. Antragsformular, Fehlgeburt, Abwesenheitsassistenz. Die Arbeitswörter verstopfen dann für eine Weile mein Gehirn. Nach und nach drängen sich die Murmelwörter dazwischen. Ich bin kaputt und erschöpft, manchmal platzt trotzdem noch ein Text aus mir heraus, damit der Tag nicht verloren ist.