Käfer im Mund 

von Sarafina-Abena Yamoah

Ich möchte einen Nadelbaum umarmen, einen, der wie ein Wimpernbürstchen aussieht und mich trennt und sortiert, verlängert, was zu kurz ist, denn eine Umarmung ist ein geschlossener Stromkreis und irgendwie bin ich immer zu kurz angebunden und besitze ein Herz voller Nadeln, immer wenn ich mich bücke diese Stiche, die mich auf meinen Platz verweisen und manchmal, wenn die Welt an den Rändern in Wasser getaucht ist, wünsch ich mir, mich würde auch mal jemand nehmen, in Flüssigkeit tunken, auswringen und ich wäre nicht mehr so schwer, würde ein bisschen von mir verlieren, um möglichst viel von mir wiederzufinden, denn ein Mensch besteht auch immer aus zwei Seiten, du kannst ihn drehen und wenden, und manchmal, wenn sich ein Licht an ihm bricht, schimmert es auch etwas, jede Hälfte für sich kann nie genug sein; der Mangel macht den Menschen aus 

Ich hab all meine Hoffnungen ausgegeben, nicht aufgegeben, denn du kannst nur etwas aufgeben, an dem du dich festhalten kannst, aber bei Hoffnung ist es andersherum: sie hängt an dir, klebt hartnäckig wie ein uralter Sticker, den du auch mit Spucke einfach nicht weggekratzt bekommst, du kannst Hoffnung nur verschwenden, denn sie kostet so viel, kostet deine Träume, meistens so viel wie du eigentlich nicht bereit bist auszugeben; auch Zeit kann man nur ausgeben und egal wie ich meine Zeit nutze, am Ende ist sie immer verschwendet, will alles und nichts auf einmal tun, wünsch mir dann mehr Zeit, weiß aber nicht womit diese zu füllen, gehe nach draußen, um unter Menschen zu sein, aber flüchte, weil mir dann doch alles zu viel wird – wie das Beste aus einem Tag rausholen, der immer leer bleibt? 

Es bleibt beim Versuch gerade zu rücken, was komplett schief und schräg hängt; wo denn sonst Halt finden, wo denn sonst als an meinen eigenen Zähnen, die ich ständig aufeinanderpressen muss, weil ich immer alles festhalten will, loslassen bedeutet verlieren und deswegen passiert es manchmal, dass nur ein weißes Blatt vorm inneren Auge steht, obwohl genau das einfach nicht passieren darf und deswegen entgleitet alles, ich lass los und dann ist da einfach nichts 

Schienen können beim Begradigen von krummen Wörtern helfen, können abdämpfen bei besonders harten Wörtern, aber jeden Abend knackt es in meinem Kopf, als wären da kleine Insekten in meinem Kiefer, Chitinpanzer, die knacken und platzen, ich muss mich an den Zähnen festhalten, hab gar keine andere Wahl, woanders finde ich keinen Halt und manchmal hältst du dich an Mahlzeiten fest, wenn du drei Tage hintereinander das Gleiche isst und ich möchte gar nicht einmal verstanden werden 

Jeder Punkt ein Komma zu viel, es geht doch um den Riss, den der quer durch den Körper geht, ihn wie ein falsch geschnittenes Pizzastück aussehen lässt, denn wird das Herz schwer, hinkt die linke Körperseite etwas, man schleift sie immer ein Stück hinterher, die eine Hälfte, die deswegen eine verspätete Reaktionszeit hat, die immer zu spät versteht; ein Herz, das sich schwer und leer anfühlt, als ob es ohne Grund schlagen muss 

Denkst stets zu viel an dich, zu wenig an die anderen und verlierst dich trotzdem immer wieder, darum hast du irgendwann angefangen, Eselsohren zu machen, an den Stellen, an denen du noch du selbst warst, gar nicht so leicht, wenn du jeden Tag eine neue Maske von dir nach außen trägst, jeden Tag ein bisschen mehr von dir angewidert bist

Deine Worte wackeln wie Milchzähne, wie Sätze auf einem zittrigen Tablett, die du nur bereits erkaltet servieren kannst; nichts lässt dich lebendig fühlen 

Und alles, was ich sage, fühlt sich an, als hätte ich es vorher karamellisiert und Zucker muss man sich leisten können, unsere Mägen werden von Brot gefüllt, deswegen spuck ich dir nur harte Kruste vor die Füße, ich weiß um ihre Härte, ich kann sie aber nicht entfernen, sie ist antrainiert und auch Weichsein muss man sich leisten können.