Politischer Dialog deconstructed
Ein Beitrag zu Schreibprojekt I HINTER DEN KULISSEN
von Chiara Gerngrosz
Diskussion zwischen Paar – politisch; Fachwörter! Inspo: 2017 – he who must not be named; Weihnachtsfeier – Diskussion – ?Ende?
Diesen ersten Winter lebten sie am Square Marie-Louise. Es war seine Wohnung und ihre eigene zahlte sie weiterhin, ein ökonomisches Paradoxon, das sie mit Eigenständigkeit verwechselte. Samstags gingen sie eislaufen und froren dabei, sonntags blieben sie zuhause. Unter der Woche merkten sie nicht viel voneinander.
Auf der Weihnachtsfeier hat sie seine Kollegin kennengelernt, mit der er sich das Büro teilte. Die Kollegin erinnerte sie an ihn, dieses weltkluge Je ne sais quoi. Das fiel ihr auf, diese ersten Wochen der Beziehung. Die Mitarbeiter der Botschaft waren Kosmopoliten, auch privat, auch in den eigenen vier Wänden. Selbst nachdem es Usus geworden war, ihn jede Nacht nackt zu sehen und zu spüren, blieb er in ihrem Kopf stets der Diplomat. Die ersten paar Dates hat sie sich seinen echten Namen nicht einmal merken können.
PLATZHALTER: hier set-up für hauptteil „Sie sind also die Frau in seinem Leben“, meinte sie zur Kollegin, mehr als 60 Stunden saßen die beiden sich Woche für Woche gegenüber. Die lachte und bot ihr eine Zigarette an, welche sie verneinte.
PLATZHALTER: Satz von Kollegin; Trigger spätere Diskussion; „Da hätte ich leider keine Chance. Sie wissen ja, er mag seine Frauen wie ein gut gebügeltes Hemd. Links.“
Dann schob die Kollegin eine Glastür auf und trat hinaus auf die mondbeschienene Terrasse. Sie dagegen blieb in der Wärme der Amtsräumlichkeiten zurück, ein unsicheres Lächeln im Gesicht. Danach drehte sie sich um, stieß gegen einen Stehtisch und durchsuchte den Raum nach ihm. Sie verließen die Feier eine Stunde später.
Eine Woche gelang es ihr zu schweigen, größtenteils, weil sie beide in Arbeit versanken. Eva Hanna war aus dem Mutterschutz zurückgekommen. Am Donnerstag steckte diese den Kopf in ihr Büro.
„Wer ist der Neue, von dem alle sagen, du wohnst jetzt bei ihm?“
Sie blickte vom Bildschirm auf und zuckte mit den Schultern. „Ein Rechter anscheinend.“
Am selben Abend kochte sie Pasta. Um sieben hörte sie seinen Schlüssel in der Tür und wenig später seine Jacke an der Garderobe. Er küsste ihre Wange, kommentierte das Essen und begann, von seinem Tag zu sprechen.
„Ich habe gehört Kann es sein, dass Du erzählst deinen Kollegen, ich sei links“, sagte sie.
Er verstummte. „Was?“ Die Zeitung, die er gerade erst ausgebreitet hatte, fiel in sich zusammen.
„Dass ich links sei. Erzählst du ihnen.“
Jetzt lachte er. „Du bist links.“
Ein heißer Tropfen Tomatensoße spritzte aus dem Topf, sie fluchte, drückte die Nummer 5 am Herddisplay. „Ich bin Kapitalistin, wie kann ich denn links sein?“
„Wenn du denkst, dass sich das ausschließt, hast du den Kapitalismus nicht
verstanden.“ hat er das damals wirklich so gesagt? Lydia fragen; Er schlug die Zeitung erneut auf und blätterte vor ins Feuilleton. Ihre Handfläche laut auf der Küchentheke, sodass er wieder aufsah.
Er seufzte. „Der Kapitalismus ist das Rückgrat einer sozialen Marktwirtschaft, er bringt den Wohlstand, der es Linken überhaupt möglich macht, ihr Links-Sein zu finanzieren.“
„Du musst mir den Kapitalismus nicht erklären, ich habe ihn studiert.“
Er antwortete nicht darauf, sondern sah sie nur an, seine Augenbrauen amüsiert hochgezogen. Diplomat wirkt Arsch – noch umschreiben
„Was macht mich links?“
Er stand auf, ließ sich einen Kaffee herunter – decaf. Seine Hand streichelte ihren Rücken. „Wir müssen das jetzt nicht bereden. Wir hatten beide einen langen Tag.“
„Was macht mich links?“ mood: all fuckin' with our lover's heads, Lorde
Er setzte sich wieder. Unter seinem geöffneten Hemdsärmel trug er die Uhr seines Vaters, sie hat ihn erst vor drei Wochen kennengelernt. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Online stellst du dich mit Pronomen vor.“
„Das ist nicht links, das ist basic human decency.“ subject too touchy??
„Ja?“
„Ja.”
Er überlegte kurz. „Privatisierung, du bist dagegen. Du sagst, es begünstigt Monopole und führt zur Entmachtung der Bürger.” Sein rechter Mundwinkel zog sich zu einem schiefen Lächeln hoch. „Ich glaube, deine genauen Worte waren: Die Wirtschaft soll wieder Teil des Staats werden und nicht der Staat Teil der Wirtschaft.”
„Das reißt du vollkommen aus dem Kontext, du stellst mich dar, als wäre ich eine Faschistin.“
„Faschismus ist doch nicht links.“
„Nicht meine Meinung, sondern Stalins.“
„Nein, Faschismus ist rechts.“ zu sehr Sally Rooney? warum eigentlich alle Iren Kommunisten?
Auf ihrem zweiten Date haben sie eine lange Debatte über die Geschichte der europäischen politischen Strömungen geführt und sie war beeindruckt gewesen von seinem Diplomatie-Akademie-Wissen. Sie waren in einem Thai-Restaurant, vor dessen Tür er sie dann zum ersten Mal geküsst hat. Die Ehrfurcht vor seinem Wissen fiel von da an ab, klassische Overexposure.
„Du bist für eine Treibhausgassteuer.“
Sie musterte ihn. „Das ist grün, nicht links. Und außerdem bin ich nicht dafür, sie wird nur ohnehin kommen, also wozu dagegen anarbeiten?“
Danach war er still und trank von seinem Kaffee. Sie ließ die Nudeln ins kochende Wasser gleiten.
„Heißt das, du bist ein Nazi rechts?“
„Was?“ Sein dritter Versuch, den Artikel zu beginnen, gescheitert.
„Du reagierst so stark auf all diese kleinen Ansichten von mir. Du kannst nur rechts sein.“
„Du weißt doch, was ich wähle.“
Sie rührte durch die Nudeln, bis sie alle gleichmäßig mit Wasser bedeckt waren. Rot. Hat er immer schon gewählt. Sie hat das immer schon befremdlich gefunden. Seine Meinungen aber waren sehr moderat. So moderat, dass er als Roter sich nicht als Linker sah. Sie selbst hätte bis heute nicht einmal darüber nachgedacht, ihre Ansichten als links zu deklarieren. Nicht, dass sie diese politische Richtungsangabe a priori ablehnte, es war ihr nur kategorisch verboten, links zu sein. Sie hat immerhin Wirtschaft studiert. Sie übersah die prekären Arbeitssituationen, die der Fordismus (wer war das mit den fließbändern?) geboren hatte, weil Arbeitsteilung den Grundstein für industriellen Aufschwung legte. Hätte ihre Universität einen Schutzpatron gehabt, es wäre Schumpeter (Schuhmpeter?) gewesen. Sie glaubte an Innovation, sie wollte Disruption. Money Fortschritt first, Gesellschaft second.
„Du glaubst, ich bin rechts?“
Sie drückte die Null am Herd, schob die Töpfe von den heißen Stellen und gab sich geschlagen. „Nein. Du glaubst, ich bin links?“
„Ja Nicht mehr.“ Danach aßen sie.
Vor drei Wochen, Lunch mit seinem immer beschäftigten Vater, waren sie bei einem Marokkaner. Sein Vater war Abgeordneter, ein Linker. Sie hat ihm immer zugestimmt, sie hat immer genickt. Sie wollte ihm gefallen. Vielleicht hielt er sie deshalb für links. Vielleicht waren sie beide im politischen Spektrum auch genau in der Mitte, vielleicht sogar beide an der genau selben Position. Vielleicht benannten sie die Dinge nur anders.
„Brexit.“
„Was?“
Sie legte ihr Besteck aus der Hand, die Pasta vor ihr halb aufgegessen. „Eine linke oder eine rechte Entscheidung?“
„Rechts natürlich. Rechtspopulismus nach Textbuch.“
Sie wiegte den Kopf hin und her. „Links. Die ganze Kampagne gründete auf
britischem Protektionismus.“ Will the UK stand up to the protectionist impulse that drove Brexit vote? https://www.theguardian.com/business/2016/jul/13/uk-protectionist- impulse-brexit-vote-eu-trade-deal
Er zuckte mit den Schultern, endlich in den Artikel vertieft.
„Auslegungssache.“